Möbelindustrie im ersten Halbjahr mit + 4,5 Prozent. Kauffreudigkeit der Bundesbürger beflügelte Industrie. Vor allem die Exporte ins EU-Ausland schwächeln
29.08.2012Elmar Duffner, Präsident des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie, erklärt anlässlich der Jahres-Wirtschaftspressekonferenz des Verbandes am 29. August 2012 in Köln:
Dank der Kauffreudigkeit der deutschen Verbraucher wächst die heimische Möbelindustrie auch im 1. Halbjahr 2012. Während das Exportgeschäft wegen der europäischen Schuldenkrise schwächelt, sind die Konsumenten in Deutschland die Stütze unseres mittelständischen Industriezweiges.
So können wir nach einem Umsatzwachstum von 6,5 Prozent im Jahr 2011 auch für das 1. Halbjahr 2012 eine positive Bilanz vorlegen. Die Umsätze der Her-stellerbetriebe liegen mit einem Plus von 4,5 Prozent auf 8,5 Mrd. € erneut spürbar über dem Vorjahresniveau. In Zeiten wie diesen bei weitem keine Selbstverständlichkeit.
Für das Gesamtjahr 2012 halten wir dennoch an unserer Prognose von einem Umsatzwachstum von rund 3 Prozent fest. Wir gehen somit von einem gegenüber dem ersten Halbjahr leicht abgeschwächten Umsatzwachstum bis Ende des Jahres aus. Dies liegt einerseits an den teilweise sehr hohen Vorjahreswerten und andererseits an der insgesamt absehbar nachlassenden Wirtschaftsdynamik in Deutschland.
Das Inlandsgeschäft in Deutschland wurde im 1. Halbjahr 2012 gestützt durch eine sehr robuste Wohnungsnachfrage, die gute Arbeitsmarktlage, historisch niedrige Zinsen und den Wunsch der Verbraucher in bleibende Werte zu investieren – und damit auch in ihre eigenen vier Wände.
Im europäischen Ausland als unserem Hauptabsatzmarkt herrscht hingegen wegen der Schuldenkrise und der sich daraus ergebenden Sparprogramme große Verunsicherung bei den Verbrauchern. Die Folge ist extreme Kaufzurückhaltung. Auch die in den Vorjahren in einigen südeuropäischen Ländern sehr dynamischen Immobilienmärkte sind nahezu zum Erliegen gekommen.
Neben Deutschland konnte alleine in Österreich und in den Niederlanden im 1. Halbjahr noch ein leicht positives Gesamtwirtschaftswachstum erzielt werden. Alle übrigen Länder der Eurozone stagnieren entweder oder sind auf dem Weg in die Rezession. Das von der GfK im zweiten Quartal 2012 gemessene Konsumklima in den 12 wichtigsten EU-Ländern stellt kein gutes Zeugnis für die europäische Wirtschaft aus. Die dramatische Verschlechterung der Konjunkturerwartungen in Italien, geringe Einkommenserwartungen in Portugal, Griechenland und Italien, sehr niedrige Anschaffungsneigung in den Beneluxstaaten, Portugal und Griechenland spiegeln sich im Einbruch der deutschen Möbelexporte in diese Länder.
Der Exportrückgang in die EU-Länder wird teilweise kompensiert durch verstärkte Möbellieferungen unserer Unternehmen nach Osteuropa und Asien. Da auf die EU-Länder aber immerhin zwei Drittel der gesamten deutschen Möbelexporte entfallen, können die aufstrebenden Märkte diese negative Entwicklung nicht ausgleichen.
Nach einem Anstieg des Auslandsgeschäftes von 13 Prozent im vergangenen Jahr sind die gesamten Verkäufe ins Ausland von Januar bis Juni 2012 wieder um 1,3 Prozent auf 4,5 Mrd. € gesunken. Hierbei sehen wir nahezu von Monat zu Monat eine nachlassende Tendenz: Januar +10,2 Prozent, Februar -4,9 Prozent, März -5,5 Prozent, April -5 Prozent und Mai -7,4 Prozent. Im Juni wurde aufgrund des positiven Arbeitstageeffekts ein leichtes Plus von 1,2 Prozent verzeichnet.
Besonders problematisch ist, dass für die deutsche Möbelindustrie wichtige Exportmärkte wie Frankreich und die Niederlande mit minus 22,8 Prozent bzw. minus 12,3 Prozent bis zum Juni eine deutlich rückläufige Tendenz aufweisen. Noch negativer ist die Tendenz in Spanien mit minus 22,7 Prozent und in Griechenland mit minus 28,8 Prozent. Überraschend gut behaupten konnte sich dagegen Großbritannien mit plus 14,9 Prozent.
Insbesondere Russland (+28,2 %) und China (+13,4 %) weisen – inzwischen auf recht hohem Niveau – die höchsten Zuwachsraten aus und zeigen unser Zuwachspotential in wichtiger werdenden Märkten. Inzwischen liegt China gleichauf mit den USA (+7,5 %) als wichtigster außereuropäischer Markt für unsere Möbelindustrie. Russland dürfte bei dem hohen Wachstumstempo in den nächsten Monaten an den USA und an China vorbeiziehen.
Als Spitzenverband der Deutschen Möbelindustrie will ich an dieser Stelle ausdrücklich die enormen Anstrengungen unserer Unternehmer im Bereich des Exportes in den vergangenen Jahren hervorheben. Wir haben die Exportquote bis Ende 2011 auf knapp 30 Prozent (28,2 %) gesteigert und neue Märkte erschlossen. Heute zeigt sich wie existenziell wichtig diese Bemühungen waren. Deutsche Möbel sind deshalb weltweit so erfolgreich und begehrt, weil sie in puncto Design, Qualität und Lieferzuverlässigkeit eine Spitzenstellung einnehmen. „Made in Germany“ gilt inzwischen im Ausland als Synonym für Möbel höchster Güte.
Zum positiven Ergebnis der deutschen Möbelindustrie im 1. Halbjahr 2012 tragen vor allem die Küchenmöbelhersteller mit einem erfreulich deutlichen Umsatzplus in Höhe von 6,6 Prozent auf rund 2,1 Mrd. € bei. Auch die Matratzenhersteller erzielten ein überdurchschnittliches Ergebnis und konnten ihren Umsatz um 9,5 Prozent auf rund 400 Mio. € steigern.
Eine positive Geschäftsentwicklung können aber auch die Hersteller von Wohnmöbeln vorweisen, deren Umsätze sich von Januar bis Juni 2012 um 3,3 Prozent auf rund 4,3 Mrd. € erhöhten. Innerhalb der Wohnmöbel entwickeln sich die so genannten Kastenmöbel mit einem Umsatzanstieg von 4,7 Prozent auf 3,5 Milliarden € leicht überdurchschnittlich. Gebremst wird die Entwicklung bei den Wohnmöbeln hingegen von den Polster-möbeln, die sich im 1. Halbjahr unterdurchschnittlich entwickelten. Die amtliche Statistik weist einen Rückgang von 2,4 Prozent auf 791 Mio. € auf, was aufgrund der veränderten Berechnungs-grundlage aus unserer Sicht überzeichnet ist. Die tatsächliche Entwicklung dürfte hingegen leicht positiv sein, wobei hier je nach Preissegment und Exportanteil extrem unterschiedliche Firmenkonjunkturen zu beobachten sind.
Die deutsche Büromöbelindustrie entwickelte sich mit einem Umsatz von rund 978 Mio. € stabil auf Vorjahresniveau (+1,3 %). Die Ladenmöbelhersteller lagen 8,3 Prozent über dem Vorjahreswert und erzielten einen Umsatz von 710 Millionen €.
Die deutschen Möbelhersteller konnten im ersten Halbjahr 2012 wieder deutliche Marktanteile gegenüber ausländischen Wettbewerbern gewinnen. Nachdem die deutschen Möbelimporte im Gesamtjahr 2011 noch um 8,3 Prozent auf 9,9 Mrd. € gestiegen waren, sanken sie von Januar bis Juni 2012 um 2,5 Prozent auf 5 Mrd. €. Der Rückgang fiel damit höher aus als bei den Möbelexporten. Das Außenhandelsdefizit reduzierte sich dadurch im gleichen Zeitraum um 12,2 Prozent auf rund 500 Mio. €.
Überdurchschnittlich stark sanken die Einfuhren aus den EU-Ländern (-6 %) und hier insbesondere aus Slowenien (-21,2 %), Rumänien (-19,7 %) und Tschechien (-14,5 %). Polen als wichtigstes Möbelherkunftsland lag in etwa auf dem Vorjahresniveau (+0,4 %)
Die Möbeleinfuhren aus Asien konnten dagegen um 9,1 Prozent zulegen. China bleibt mit einem Anstieg von 10,1 Prozent zweitwichtigstes Importland nach Polen. Immer schneller wachsen auch die Möbeleinfuhren aus Vietnam (+16,3 %).
Die Beschäftigtenzahl in der deutschen Möbelindustrie – berücksichtigt werden Betriebe ab 50 Beschäftigten – erhöhte sich zwischen Januar und Juni 2012 um 1,9 Prozent auf rund 90.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Vorjahreszeitraum: 88.700 Beschäftigte). Die Zahl der Betriebe nahm um 1,4 Prozent auf 533 zu (Vorjahreszeitraum: 525 Betriebe).
Sowohl die positive Beschäftigungsentwicklung als auch die in schwierigen Märkten eroberten Marktanteile sind das Ergebnis einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit unserer Möbelindustrie. Hieran hat auch die „Tarifpolitik mit Augenmaß“ der vergangenen Jahre ihren Anteil. Diesen Weg müssen wir gemeinsam mit unserem Sozialpartner unbedingt weiter beschreiten.