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Betriebsräte: Der Bundesrat will die Bürokratieschrauben enger drehen

Die Änderungsforderung für das Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) bieten aktuell keine wesentlichen Verbesserungen für Betriebsräte oder Unternehmen.

30.07.2025

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Am 13. Juni 2025 wurde im Bundesrat ein Entschließungsantrag zur Modernisierung der betrieblichen Mitbestimmung beraten. Ziel des Antrags ist eine umfassende Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG), um es an die Anforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt anzupassen. Diskutiert werden unter anderem eine Überarbeitung des Arbeitnehmerbegriffs, neue Mitwirkungsrechte bei der Nutzung von Beschäftigtendaten und künstlicher Intelligenz sowie Regelungen zur mobilen Arbeit. Auch ein digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften und ein Beratungsrecht bei Betriebsübergängen werden ins Spiel gebracht. Die geforderten Maßnahmen sind jedoch so weitreichend, dass eine positive Veränderung nicht zu erwarten ist. Vielmehr würden bestehende Vorgänge für Beschäftigte wie Arbeitgeber verkompliziert und aufwändiger gestaltet. Einzelne geforderte Maßnahmen des Bundesrates sollen im Folgenden ausgewertet werden. 

 

Arbeitnehmerbegriff 

 

Ein wesentlicher Vorschlag betrifft die Ausweitung des bestehenden Arbeitnehmerbegriffs. Es sollen auch Personen erfasst werden, die in arbeitnehmerähnlichen Verhältnissen stehen. Diese stehen nicht in einem klassischen Abhängigkeitsverhältnis und unterliegen keinem Direktionsrecht – sie sind oftmals selbstbestimmt tätig. Eine Einbeziehung dieser Gruppen könnte zu einem systemfremden Einfluss führen, da die Strukturen der Mitbestimmung ursprünglich auf die besondere Schutzbedürftigkeit abhängiger Arbeitsverhältnisse ausgelegt sind. Für eine konkrete Beteiligung der Belegschaft an unternehmerischen Entscheidungen ist eine starke Einbindung in sämtliche Prozesse notwendig. Diese liegt jedoch nicht vor, wenn eine vollständig selbstbestimmte Tätigkeit gegeben ist. In die wichtigen Prozesse der Arbeitnehmerbeteiligung würden dadurch unangemessene Einflüsse eingehen – was dringend zu vermeiden ist. 

 

Beschäftigtendaten 

 

Auch beim Umgang mit Beschäftigtendaten und dem Einsatz künstlicher Intelligenz wird eine Stärkung der Mitwirkungsrechte gefordert. Dabei existieren bereits umfassende gesetzliche Regelungen – etwa durch die Datenschutz-Grundverordnung, das Bundesdatenschutzgesetz sowie die im Jahr 2024 erlassene KI-Verordnung. Diese Normen setzen bereits hohe Standards. Zusätzliche betriebliche Regelungen sind daher nicht erforderlich. Innovationen und Effizienzgewinne würden eher behindert – zumal Mitbestimmungsrechte bereits jetzt greifen, wenn Überwachungsmöglichkeiten bestehen. Es ist stark zu hinterfragen, ob die Einbindung des Betriebsrats in diesen Themenbereichen tatsächlich einen größeren Schutz bietet, als es die bestehenden gesetzlichen Regelungen bereits tun. 

 

Beratungsrecht bei Betriebsübergängen 

 

Ein Beratungsrecht des Betriebsrats bei Betriebsübergängen soll geprüft werden. Dabei gilt es zu bedenken, dass die unternehmerische Freiheit zur Veräußerung eines Betriebes grundrechtlich geschützt ist. Gleichzeitig sind Arbeitnehmer durch tarifliche und betriebliche Vereinbarungen bereits abgesichert. Zusätzliche Eingriffsrechte könnten das Gleichgewicht zwischen Mitbestimmung und unternehmerischer Handlungsfreiheit verschieben, ohne spürbare Verbesserungen für die Beschäftigten zu bringen. 

 

Plattformökonomie 

 

Die Plattformökonomie stellt neue Herausforderungen an das Verständnis von Betrieb und betrieblicher Vertretung. Die Idee, durch gesetzliche Präzisierungen eine bessere Grundlage für Betriebsratsgründungen in diesem Sektor zu schaffen, ist nachvollziehbar. Angesichts der sehr unterschiedlichen und oft flexiblen Strukturen von Plattformunternehmen könnte ein zu starrer rechtlicher Rahmen jedoch eher zu neuen Unsicherheiten führen. Maßgeschneiderte, freiwillige Lösungen unter Einbindung aller Beteiligten erscheinen hier zielführender. Die Rahmenbedingungen für diese Prozesse müssen Freiräume lassen und dürfen die Unternehmen nicht zusätzlich einschränken. 

 

„Union-Busting“ 

 

Die Forderung nach neuen Maßnahmen gegen sogenanntes „Union-Busting“ wirkt auf den ersten Blick schlüssig, da Betriebsräte in ihrer Arbeit nicht behindert werden dürfen. Unter diesem Begriff versteht man das gezielte Einwirken eines Arbeitgebers auf die Arbeit des Betriebsrats – vom Gründungsstadium bis hin zur alltäglichen Arbeit. Es bestehen jedoch bereits strafrechtliche Regelungen gegen die Behinderung der Betriebsratsarbeit. Maßnahmen außerhalb des Strafrechts bieten keinen höheren Schutz. Die geringe Zahl entsprechender Strafverfahren zeigt, dass es sich in der Praxis um ein Randphänomen handelt. Eine Ausweitung gesetzlicher Maßnahmen sollte deshalb gut begründet und verhältnismäßig sein, um keine neuen Rechtsunsicherheiten zu schaffen. 

 

Personalplanung und -bemessung 

 

Bei der Frage nach einer stärkeren Mitbestimmung in der Personalplanung ist zu berücksichtigen, dass Betriebsräte schon heute über umfangreiche Beteiligungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen verfügen. Eine zusätzliche Mitsprache bei der strategischen Personalplanung würde einen direkten Eingriff in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit bedeuten und die klare Trennung zwischen strategischen Unternehmensentscheidungen und Mitbestimmung verwischen. Zudem würden entsprechende Rechte den Arbeitsablauf im Alltag erheblich erschweren. Die Prüfungsaufforderung zur Optimierung der Rechte des Betriebsrates in Bezug auf qualitative und quantitative Personalplanung ist bereits hinreichend erfüllt. 

 

Qualifizierungs- und Weiterbildungsanforderungen 

 

Auch bei der Festlegung von Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen wird über eine Ausweitung der Mitbestimmung nachgedacht. Hier stellt sich die Frage, ob dies tatsächlich notwendig ist, da bereits heute Mitwirkungsmöglichkeiten bestehen. Letztlich liegt die Verantwortung für die Personalentwicklung beim Unternehmen. Eine weitere Regulierung könnte die notwendige Flexibilität im Umgang mit dynamischen Qualifikationsanforderungen einschränken. 

 

Betriebliche Kommunikationsmittel 

 

Der Wunsch nach einem expliziten Nutzungsrecht des Betriebsrats für betriebliche Kommunikationsmittel spiegelt den Bedarf an moderner Zusammenarbeit wider. Anstatt jedoch neue gesetzliche Regelungen zu schaffen, erscheint es sinnvoller, die Digitalisierung der Betriebsratsarbeit insgesamt voranzutreiben. Virtuelle Sitzungen, digitale Betriebsversammlungen und moderne Wahlverfahren sollten als gleichwertige oder sogar bevorzugte Alternativen anerkannt werden – einschließlich der Möglichkeit zur Online-Wahl. 

 

Betriebsänderung 

 

Eine Ausweitung der Anwendungsfälle von Betriebsänderungen im Sinne von § 111 BetrVG würde das Mitbestimmungsrecht erheblich vertiefen. Dabei droht jedoch eine Vermischung mit strategischen Entscheidungen des Arbeitgebers. Es bleibt entscheidend, die Grenze zwischen der Beteiligung an betrieblichen Prozessen und der unmittelbaren Einflussnahme auf unternehmerische Grundsatzentscheidungen zu wahren – um das Modell der sozialen Marktwirtschaft nicht zu untergraben. 

 

Digitales Zugangsrecht der Gewerkschaften 

 

Schließlich wird ein digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften gefordert, etwa in Form des Zugangs zum Intranet oder zur betrieblichen E-Mail-Kommunikation. Dieser Vorstoß berührt jedoch sensible Fragen des Datenschutzes und des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Beschäftigten. Bestehende sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen erscheinen hier als der geeignetere Weg, um ein Gleichgewicht zwischen Informationsfreiheit und Datenschutzinteressen herzustellen. 

 

Fazit 

 

Es bleibt festzuhalten, dass die Forderungen unterm Strich keine wesentlichen Verbesserungen für Betriebsräte oder Unternehmen erwarten lassen. Vielmehr wird an Stellen angesetzt, die bereits ausreichend geregelt sind oder Schutzmaßnahmen vorsehen. Die eigentlichen Aufgaben im Betriebsverfassungsrecht bleiben hingegen unerwähnt. Vorrangig sollte die allgemeine Digitalisierung der Betriebsratsarbeit gefördert werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung dem aus dem Bundesrat kommenden Signal keine zu große Bedeutung beimisst und den Blick auf das Wesentliche richtet. 


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