1. Herr Dr. Bergmann, was beschäftigt die VHI-Mitgliedsunternehmen aktuell besonders?
Die Absatzkrise bestimmt weiterhin den Alltag. Die Holzwerkstoffindustrie ist eine zyklische Grundstoffindustrie, die insbesondere der Baukonjunktur, aber auch dem Investitions- und Konsumverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher folgt, etwa im Bereich Möbel. Entsprechend stark ist sie von der aktuellen Krise betroffen.
Es bestehen zudem zunehmend nicht mehr wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen und steigende regulatorische Belastungen. Herausforderungen in der Rohstoffversorgung dominieren in den letzten Jahren die Produktionsbedingungen, insbesondere die phasenweise enorme Verteuerung des Rohstoffes Holz und dessen perspektivische Verknappung.
Kurzfristig ist keine wesentliche Marktverbesserung zu erkennen. Indikatoren für eine Trendwende zeichnen sich aber ab: Das Neugeschäftsvolumina bei Wohnungsbaukrediten hat in den ersten Monaten 2025 zugenommen. Das Zinsumfeld könnte sich weiter verbessern und die Inflation auf relativ niedrigem Niveau stabilisiert werden.
Die Unternehmen im VHI eint die Zuversicht, dass auch diese Krise überstanden wird, wie auch die davor. Die Holzwerkstoffindustrie ist eigentümergetrieben und nicht kurzfristig, sondern nachhaltig langfristig orientiert.
2. Holzwerkstoffe sind essenziell für viele Industriezweige – vom Möbelbau bis zum nachhaltigen Bauen. Wie kann es wieder zu mehr Nachfrage kommen?
Wenn die Baukrise nicht überwunden wird, fehlt es nicht nur an Wohnungen, es werden auch zunehmend Produktionskapazitäten und Arbeitsplätze in der Bauindustrie und bei deren Zulieferern verloren gehen und dies voraussichtlich auf Dauer. Aber auch die Möbel- und Einrichtungsbranche ist massiv von der Baukrise betroffen: Wo nicht gebaut wird, wird nicht umgezogen, wird nicht neu mit Möbeln und Küchen eingerichtet.
Langfristige Investitionsentscheidungen wie der Hausbau benötigen einen klaren und verlässlichen regulatorischen Rahmen, zudem treiben überzogene technische Anforderungen die Bau- und Folgekosten unnötig in die Höhe.
Die Blicke sind nun auf die neue Bundesregierung gerichtet, insbesondere auch auf die neue Bauministerin Frau Hubertz, deren Aufgabe es nun sein muss, schnell verlässliche und ausfinanzierte Förderbedingungen für die nächsten Jahre aufzustellen, auch um Vertrauen zurückzugewinnen, das durch das Förderhickhack der letzten Bundesregierung verspielt wurde.
Regulierung, Bürokratie und lange Genehmigungsverfahren verteuern und behindern die Bautätigkeit. Die Bauministerin muss hier die entscheidenden Impulse, auch in Richtung der Bundesländer, geben.
Bei der Wohnungsbauoffensive kann der Holzbau einen signifikanten Beitrag leisten, um schnell und kostengünstig Wohnraum zu schaffen, vor allem durch modulare und serielle Bauweise. Die Potenziale des klimafreundlichen Bauens mit Holz werden derzeit aber nicht optimal genutzt. Damit der Holzbau sein volles Potential ausspielen kann, müssen Hemmnisse für das Bauen mit Holz ausgeräumt werden, insbesondere regulatorische Anforderungen, die Holz gegenüber anderen Baustoffen benachteiligen. Zudem muss der Holzbau mehr ins Bewusstsein der relevanten Akteure kommen. Auch Vorurteile müssen abgebaut werden.
Die Holzwerkstoffindustrie erwartet grundsätzlich, dass die neue Bundesregierung die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Standort nachhaltig stärkt. Dazu gehören unter anderem der Abbau von nicht notwendiger Bürokratie und Regulierung, wettbewerbsfähige Energiepreise, aber auch die Gewährleistung der Holzversorgung durch naturnahe aktive Waldbewirtschaftung.
3. Bei der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in der Holzindustrie sind Holzwerkstoffe zentral. Was tut die Branche bereits heute, um Holzprodukte möglichst lange im Kreislauf zu halten – und wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Die Holzwerkstoffindustrie ist bereits jetzt mit ihrem Einsatz von Recyclingholz als Sekundärrohstoff in der Spanplattenindustrie der größte stoffliche Verwerter von Altholz in Deutschland. Kreislaufwirtschaft reduziert den Verbrauch von Primärressourcen und sichert die nationale Rohstoffverfügbarkeit.
Für den Einsatz von stofflich verwertbarem Altholz in der Holzwerkstoffindustrie gilt es aber noch Potenziale zu heben, viel zu oft geht dieses nämlich immer noch in die thermische Verwertung. So landen zum Beispiel Altmöbel häufig im Sperrmüll und können nicht mehr unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen getrennt werden, so dass der verpresste Sperrmüll verbrannt wird. Hier müssen bestehende Sammlungssysteme verbessert und neue Rücknahmesysteme etabliert werden. Auch bietet sich mit der längst überfälligen Novelle der Altholzverordnung die Möglichkeit, das Kaskadenprinzip für stofflich verwertbares Altholz (Recyclingholz) festzuschreiben.
Altholzrecycling funktioniert hervorragend, dafür muss die Politik aber auch alle Signale auf Kreislaufwirtschaft stellen.