Bad Honnef. Knapp 160 Fachleute nahmen am 27. und 28. April an der Technikertagung 2023 des Bundesverbands Deutscher Fertigbau (BDF) teil. Die Vertreter der BDF-Mitgliedsunternehmen kamen auf Einladung des BDF zum diesjährigen Kooperationspartner, der REHAU Industries SE & Co. KG. Diesmal fand die Tagung im Bio-Seehotel Zeulenroda-Triebes, nahe dem Produktionswerk Triptis des für polymerbasierte Lösungen im Bau-, Automobil- und Industriebereich bekannten Unternehmens statt.
Zukunftsweisende Themen, aufschlussreiche Vorträge, intensives Networking und spannende Unternehmens-, Werks- und Produktpräsentationen waren auch dieses Jahr bewährter Programmmix der BDF-Technikertagung. Zunächst begrüßte Dr. Roger Schönborn, Head of Division Building Solutions der REHAU Industries die Teilnehmenden. Er stellte den Teilnehmenden das Unternehmen REHAU und die Meilensteine dessen Erfolgs vor. 1948 mit drei Mitarbeitern gegründet, arbeiten heute 20.000 Menschen an 190 Standorten Weltweit für das Unternehmen. 4 Milliarden Euro Umsatz erwirtschafte es mit polymerbasierten Produkten für den Bau-, Automobil-, und Industriebereich. Dabei sind nicht zuletzt Wohnungs- und Fachkräftemangel Innovationstreiber für den Hersteller, der bei seinen Produktentwicklungen zunehmend einfache und zeitsparende Installationsvorgänge im Fokus hat. Gleichzeitig nimmt das Thema Nachhaltigkeit eine herausragende Stellung in der weiteren Unternehmensentwicklung ein.
Anschließend trat Prof. Dr. Mathias Schäfer mit seiner Begrüßungsrede vor das Publikum. Es seien spannende und anspruchsvolle Zeiten. Nahezu alles stehe auf dem Prüfstand, so Prof. Schäfer. Das Kerngeschäft der Fertigbaubranche liege weiterhin im Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern. Trotz schwächer werdender Nachfrage am Gesamtmarkt sei der Fertigbauanteil auf ein Rekordhoch von 23,5 Prozent gestiegen. „Wenn Eigenheim, dann zukunftssicher, meist schlüsselfertig und immer mit dauerhaft niedrigen Energiekosten. Also im Idealfall ein Holz-Fertighaus“, fasste Prof. Schäfer zusammen. Jedoch sei die neue KFN-Förderung kein Booster, der der Branche viele weitere Neuaufträge beschere, sondern lediglich ein Anfang dafür, nachhaltiges Bauen attraktiver zu machen. Serielles Bauen in Holztafelbauweise sei für die langfristige Dekarbonisierung des Gebäudesektors wichtig. Die Wirtschaftlichkeit, Qualität und Schnelligkeit des Ein- und Zweifamilienhausbaus könnten sich durchaus auch im Mehrgeschossbaus und der Nachverdichtung erfolgreich etablieren, so der BDF-Präsident weiter.
Wohnbauförderung startet im Juni
Durch das weitere Programm führte der BDF-Geschäftsführer Georg Lange. Er übergab nach seiner Begrüßung das Mikrofon zunächst an Sophie von Minckwitz, Leiterin des BDF-Hauptstadtbüros und Isabelle Brose vom Europäischen Parkettverband, die in Brüssel als Kontaktperson für den Europäischen Fertigbauverband tätig ist. Zunächst schwenkte Sophie von Minckwitz den Blick auf die aktuelle innenpolitische Lage. In ihrem Bericht aus Berlin nahm sie die aktuelle Neubauförderung unter die Lupe und ging auf die unter Federführung des Bundes-Landwirtschaftsministeriums entwickelte Holzbauinitiative und die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes ein. Noch vor der Sommerpause wolle die Bundesregierung das GEG beschließen, so dass es Anfang 2024 in Kraft trete, wusste von Minckwitz zu berichten. Bereits am 1. Juni 2023 werde das neue Fördergramm „Wohneigentum für Familien“ (WEF) starten, das Familien mit einem maximalen zu versteuernden Haushaltsjahreseinkommen von 60.000 Euro zu Gute kommen soll. Die Förderung wird dann in Form zinsverbilligter Kredite von 140.000 Euro bis maximal 240.000 Euro ausgezahlt. Die Fördergeber gingen von rund 13.000 bis 15.000 förderfähigen Haushalten pro Jahr aus, so von Minckwitz weiter.
Isabelle Brose, die der Technikertagung live aus ihrem Büro in Brüssel zugeschaltet war, gab den Teilnehmenden einen umfangreichen Überblick über die relevanten Initiativen auf EU-Ebene. Zentral sind dabei die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) sowie die Europäische Bauproduktenverordnung, aber auch die Certification framework for Carbon Removals, ein Zertifizierungsrahmen für den Kohlenstoffabbau. Des Weiteren ging Brose in ihren auf Englisch vorgetragenen Ausführungen auf die anstehende Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen – Stichwort „Taxonomie“ – ein und erläuterte die wesentlichen Eckpunkte.
BDF-Arbeitskreise: Aus der Branche für die Branche
Im zweiten großen Tagungsblock des ersten Tages berichteten die BDF-Referentin Katharina Rohlfs und ihre Kollegen Walter Meyer und Wolfgang Schäfer sowie Martin Müller, von der Bundesgütegemeinschaft Montagebau und Fertighäuser (BMF), aus dem Arbeitsspektrum der Arbeitskreise des BDF. Den Einstieg machte Katharina Rohlfs mit einem kurzen Bericht zu den Kernthemen im BDF-Arbeitskreis Konstruktion/Statik. Im Fokus stehen derzeit der Trittschallschutz von Decken und der Umgang mit Außenlärm sowie die für Sommer 2023 angekündigten Entwürfe der Eurocodes. Dabei verwies Rohlfs auf die Vorträge am Folgetag, die sich speziell und vertieft mit diesen Themen auseinandersetzen würden.
Für den Arbeitskreis Bauphysik hatten Katharina Rohlfs und Martin Müller unter anderem einen Überblick über die Inhalte der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes auf die Agenda geschrieben. In ihren Ausführungen erläuterte Katharina Rohlfs den Tagungsteilnehmenden zunächst die wesentlichen anstehenden Änderungen, wonach ab 2024 neu eingebaute Heizungsanlagen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Technologieneutrale Ansätze sollen dabei für mehr Flexibilität in der Umsetzung führen. Martin Müller (BMF) gewährte tiefe Einblicke in die Normungsarbeit des BDF und fokussierte sich auf die aktuelle Überarbeitung der DIN 4108-7, Luftdichtheit. Die Branche hat erneut, basierend auf einer Vielzahl realisierter und ausführlich dokumentierter Fertigbauprojekte, aussagekräftige Daten zur Verfügung gestellt und so wesentlich zur fundierten Weiterentwicklung der Norm beigetragen.
Aus dem Arbeitskreis Arbeits- und Umweltschutz und dem AK Raumluftqualität berichtete Walter Meyer. Auf seiner Agenda standen Informationen zu aktuellen BDF-Schulungsangeboten der BDF-Akademie und die Implementierung der Arbeitssicherheit in der QDF-Überwachung. In Sachen Raumluftqualität stellte Meyer die QDF-Richtlinie „Holzwerkstoffe“ und „VOC-Raumluftmessungen“ in den Fokus seiner Ausführungen und berichtete von der Entwicklung einer BDF-Schulung zur „Befähigten Person als Probenehmer für semiprofessionelle Raumluftmessungen“.
Wolfgang Schäfer ergänzte die Tagung mit einem Bericht zum BDF-Arbeitskreis Technische Gebäudeausrüstung. Zu den Kernthemen in diesem AK zählen neben der Normungsarbeit zu Erdungsanlagen und AFDDs unter anderem auch der gemeinsame Betrieb von Ofen und Lüftung, Zukunftssicherheit von Wärmepumpen und das Smart Metering.
Kalt- und Warmwasser richtig installiert
Zum Abschluss der Vortragsreihe und vor der Führung durch das REHAU-Werk im nahegelegenen Triptis stand unter dem Titel „Herausforderungen bei der Trinkwasserzirkulation“ ein weiteres spannendes Thema auf der Agenda. Mit Olaf Heinecke, Geschäftsführer der LTZ – Zentrum für Luft- und Trinkwasserhygiene GmbH, stand den Teilnehmenden ein ausgewiesener Experte für Trinkwasserhygiene gegenüber. Heinecke beleuchtete die technischen Herausforderungen bei der Verteilung von warmem und kaltem Trinkwasser in Gebäuden und gab wertvolle Empfehlungen bei PWC-Installationen.
Werksführung und exklusive Abendveranstaltung
Ein weiterer wesentlicher Programmteil am ersten Tag der Technikertagung 2023 war eine aufschlussreiche Werksführung durch die REHAU-Produktion im Werk Triptis kombiniert mit Workshops zu Produktneuheiten des Herstellers. Den ersten Veranstaltungstag ließen die Gäste schließlich bei einem gemeinsamen Abendessen und guten Gesprächen am Veranstaltungsort, dem Seehotel Zeulenroda ausklingen.
Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft im Fokus
Der zweite Tag der Technikertagung 2023 startete mit Einblicken in die Strategien zu Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft des Gastgebers. Ausgehend vom Selbstverständnis zur globalen Verantwortung, stellte Dr. Horst Stimmelmayr den Teilnehmenden die Konzepte vor, mit denen der Polymerverarbeiter einerseits Rohstoffsicherheit gewährleisten und andererseits größtmögliche Unabhängigkeit von nicht erneuerbaren Quellen sicherstellen möchte. Dazu bedürfe es einer ganzheitlichen Betrachtung der Produkte und ihrer Herstellung, arbeitete Dr. Stimmelmayr heraus. Im unmittelbaren Anschluss an diesen Vortrag brachten die Veranstalter eine spannende Diskussionsrunde auf das Podium. Im Fishbowl-Format diskutierten Vertreter von ordentlichen und fördernden BDF-Mitgliedern über zirkuläres Bauen sowie über zirkuläre Produkte. Eine wesentliche Erkenntnis des Gesprächs war, dass Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft unsere Zukunft langfristig bestimmen werden.
QDF – das zukunftsweisende Qualitätskonzept
Bereits seit seiner Gründung legt der BDF besonderes Augenmerk auf bestmögliche Qualität von Fertighäusern. Dies erläuterte Marius Misch in seinem Vortrag zur Qualitätsgemeinschaft Deutscher Fertigbau (QDF). Mit der QDF hat die Fertigbaubranche vor über 30 Jahren die Grundlagen für ein konsequentes Qualitätsverständnis geschaffen, zeigte der BDF-Referent auf. Seit gut zehn Jahren folge die Struktur der QDF-Satzung konkret dem Konzept der Nachhaltigkeit mit den Säulen ökonomische Qualität, ökologische Qualität, soziokulturelle und funktionale Qualität, technische Qualität und Prozessqualität. Somit ist das umfangreichste Qualitätssiegel im Deutschen Fertigbau von besonderer Aussagekraft für Baufamilien.
Forschung für eine praxisgerechte Zukunft
Welchen Stellenwert die Nachhaltigkeit im BDF hat, erläuterten der BDF-Geschäftsführer Georg Lange und Frederic Dorff, BDF-Projektleiter. In dem Vortrag unter dem Titel „Die Zukunft fest im Blick – Praxisgerechte Nachhaltigkeit im seriellen und modularen Bauen“ erläuterte Georg Lange zunächst die Metaebene und knüpfte die Zusammenhänge zur aktuellen Förderung nach KFN und QNG. Seit Jahren setzt sich der BDF dafür ein, die Lebenszyklusbetrachtung korrekt und dennoch praxisgerecht in der Fertigbaubranche zu etablieren. Die zahlreichen Aktivitäten haben unter anderem eine Ökobilanzierungssoftware hervorgebracht, mit der die BDF-Mitglieder die notwendigen Nachweise zur Treibhausgasemission erbringen können.
Im Anschluss erläuterte Frederic Dorff den Teilnehmenden den aktuellen Sachstand des vom BDF initiierten BBSR-Forschungsprojekts „Klimafreundliche Wohnbauten“ im Innovationsprogramm Zukunft Bau. Ein wesentliches Ziel des Projekts ist die Überprüfung und Weiterentwicklung von Rechen- und Bilanzierungsregeln für die Ökobilanzierung von Wohnbauten. Ökobilanzierung muss praxistauglich und wirklichkeitsnah sein. Die vorliegende Forschung soll hierzu notwendige Fakten liefern.
Trinkwasser hygienisch installiert
Zum letzten Vortrag des diesjährigen Gastgebers nahm Otmar Lunemann die Teilnehmenden in die Welt der Installationsführung mit. Zahlreiche Normen, Regelwerke und sonstige Anforderungen machen sie zu einem komplexen Sachverhalt. Dem vermeintlich einfachen Thema widmet das Unternehmen einige Zeit, um Lösungen zu erarbeiten und diese auch im Regelungswesen praxisgerecht zu hinterlegen.
Schallschutz und Statik im Fokus
Die beiden abschließenden Vorträge der Technikertagung 2023 nahmen die Themen Schallschutz und die anstehenden Neuauflagen der Eurocodes ein. Zunächst bereitete Frederic Jürgens (GSK Stockmann) die rechtlichen Zusammenhänge zum geschuldeten Schallschutz auf. Er verdeutlichte, dass die zugehörige Rechtsprechung auf zwischenzeitlich zurückgezogenen Normenfassungen aufsetze. Die aktuell geltenden Normenteile 1 und 5 der DIN 4109 werden dort nicht in Bezug genommen. Die Rechtslage sei daher derzeit alles andere als klar, so der Rechtsanwalt. Es sei notwendig, den Bauherren verständlich über den zu erwartenden Schallschutz zu informieren.
Zweite Generation der Eurocodes in den Startlöchern
Zum letzten Vortrag des Tages hatte der BDF live Matthias Gerold zugeschaltet. Der geschäftsführende Gesellschafter des Ingenieurbüros Harrer aus Karlsruhe und Vorsitzender des QDF-Beirats stellte dem Publikum die anstehenden Änderungen vor, die mit der nächsten Generation der Eurocodes auf die Fertigbaubranche zukommen. Laut Gerolds Fazit seien einige Ziele im Holzbau überwiegend erreicht worden. Insgesamt eröffne das neue Regelwerk dem Holzbau mehr Anwendungsmöglichkeiten. Dies führe jedoch auch dazu, dass der EC 5 – Bemessung und Konstruktion von Holzbauten voraussichtlich um 170 auf 690 Seiten anwachsen werde. Eine wichtige Information war schließlich, dass die Normengremien derzeit auch an Regeln für die Wiederverwendung von Baustoffen arbeiten. Das Metathema Nachhaltigkeit wird demnach auch in der Europäischen Normung mit Grundlagen unterbaut werden.
Die neue Währung heißt „CO2“
Das Schlusswort sprach am frühen Freitagnachmittag BDF-Geschäftsführer Georg Lange. In seinem Resümee umschloss er die Themen der beiden Veranstaltungstage mit einer großen Klammer. Neben der Fortführung des politischen Diskurses, seien die Fertigbaubranche und alle zuliefernden Industrien gefordert, ihre To-Dos zu erledigen. CO2 werde zur zukünftigen Währung in unserer Gesellschaft werden. Der BDF sehe sich selbst als partnerschaftlich agierender Branchenverband der gemeinsam mit seinen Fördermittgliedern zukunftsweisend vorangeht, schloss Lange die sehr erfolgreiche BDF-Technikertagung 2023 und verabschiedete die Teilnehmenden in ein angenehmes Wochenende.
BDF-Technikertagung 2024 bereits terminiert
Die BDF-Technikertagung ist in der Fertighausindustrie eines der wichtigsten Branchenformate, bei dem sich jährlich zahlreiche Technikerinnen und Techniker der BDF-Mitgliedsunternehmen austauschen. Die nächste Technikertagung wird am 25. und 26. April 2024 bei der Firma Vaillant in Wuppertal bzw. Remscheid stattfinden. Auch dazu sind alle Technikerinnen und Techniker der BDF-Mitglieder herzlich eingeladen und dürfen sich bereits jetzt auf ein hochkarätiges Programm freuen.
Bild:
Mit 160 Teilnehmenden knüpfte die Technikertagung 2023 wieder an die erfolgreiche Tagung des Vorjahres an. Foto: BDF
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