Bad Honnef. Streckengeschäfte bergen Risiken und bieten aufgrund des widerrechtlichen Geschäftsgebarens weniger Markteilnehmer immer wieder Anlass zu Diskussionen. Hintergrund ist die Fragestellung der besonderen Konstellation von Fremdfertigung und Lieferung in eigenem Namen. „Gerade unwissende Kunden, aber auch manche Holzpackmittelhersteller sind sich weder bewusst, wo die Grenzlinie zwischen legalen und illegalen Streckengeschäften verläuft, noch kennen sie die potenziellen Konsequenzen bei Gesetzesverstößen“, erklärt Marcus Kirschner, Geschäftsführer des Bundesverbands Holzpackmittel, Paletten, Exportverpackung (HPE) e.V.. Deshalb hat er eine rechtliche Einschätzung zum Sachverhalt bei der Kanzlei Graf von Westphalen (GvW) in Auftrag gegeben.
Streckengeschäfte sind nicht per se verboten, aber klare Regelungen sind einzuhalten. Die wichtigste: Wer die ISPM 15 Behandlung durchführt, muss die behandelten Produkte kennzeichnen und auch die Behandlung dokumentieren. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Paletten, Kisten oder Schnittholz handelt. Das regelt die in allen EU-Mitgliedsstaaten unmittelbar geltende EU-Pflanzengesundheitsverordnung 2016/2031, die mit Wirkung zum 14. Dezember 2019 in Kraft getreten ist, gleichermaßen wie es schon die vorausgegangene EU-Pflanzengesundheitsrichtlinie in Verbindung mit der Pflanzenbeschauverordnung getan hat.
Es ist gesetzeswidrig, wenn zum Beispiel ein Palettenhersteller mit Sitz im Ausland die von ihm produzierten und gemäß ISPM 15 Standard behandelten Paletten mit der seinem Auftraggeber zugewiesenen nationalen ISPM 15-Kennnummer kennzeichnet und diese im Streckengeschäft an den Kunden seines Auftraggebers direkt ausliefert. „Auch auf der Grundlage der Artikel 65 ff., 96, 98 der neuen EU Pflanzengesundheitsverordnung ist davon auszugehen, dass der ausländische Palettenhersteller die fremde ISPM 15 Kennnummer nicht nutzen und der Auftraggeber seine nationale ISPM 15 Registriernummer nicht weitergeben darf. Dabei ist es aus Sicht des deutschen Auftraggebers unerheblich, ob der ausländische Palettenhersteller innerhalb oder außerhalb der EU produziert“, erklärt die Holzpackmitteljuristin Dr. Maren Mönchmeyer von GvW.
Damit gehen alle Akteure ein nicht unerhebliches Risiko ein. Die zuständigen Behörden – das sind im Falle der Einfuhr in den Europäischen Binnenmarkt zunächst der Zoll und innerhalb des Binnenmarktes die Pflanzengesundheitsbehörden – können die Vernichtung, Zurücksendung oder bestenfalls Sonderbehandlung von Verpackungsmaterial aus Holz anordnen. Des Weiteren riskiert der Auftraggeber den Entzug der ISPM 15 Zulassung, was weitere Konsequenzen nach sich ziehen kann. Wird zum Beispiel beim Import in die USA, China oder Indien der auf oder in Holzpackmitteln transportierten Waren festgestellt, dass die ISPM 15 Kennnummer ungültig ist, kann die ganze Lieferung vernichtet oder zurückgeschickt werden. Behördliche Strafzahlungen in Höhe des Warenwertes können sofort angeordnet werden. Dann drohen nicht nur langwierige und die Existenz bedrohende Streitigkeiten. Verheerend sind zudem Konventionalstrafen für Lieferverzug oder Produktionsausfälle im Zielland. Nach bisheriger Pflanzenbeschauverordnung drohte weiterhin ein Bußgeld bis zu EUR 50.000 für ein solches bis dato als Ordnungswidrigkeit eingestuftes Vergehen. Es bleibt abzuwarten, ob die derzeit in Deutschland noch zu schließende Regelungslücke die bisherigen Ahndungsmöglichkeiten nicht weiter verschärft. Inwieweit der auftraggebende Palettenverwender belangt werden könnte, wurde nicht weiter untersucht.
Bei Streckengeschäften ist zudem eine Qualitätskontrolle hinsichtlich der Einhaltung des ISPM 15 Standards durch den bestellenden inländischen Palettenproduzenten nicht möglich, da er die Paletten nicht zu sehen bekommt. Er kann also nicht verhindern, dass Schnittholz mit Rinde oder mit Insektenbohrlöchern verarbeitet wird. Insofern geht er ein unkalkulierbares Risiko ein. Dass viele Verwender schon lange auf eine Wareneingangskontrolle verzichten und diese vertraglich dem Lieferanten aufbürden, ist vor dem Hintergrund der Risiken kaum verständlich.
Im Ergebnis sind alle Marktakteure gefordert, die Rechtskonformität bei Streckengeschäften einzufordern. Am Beispiel Paletten führt Kirschner abschließend aus: „Im Zentrum steht der Verwender, der Paletten bestellt und geliefert bekommt. Er muss von Anfang an klar machen, dass er keine illegalen Streckengeschäfte duldet, auch nicht aus Unwissenheit, und zudem die Einhaltung dieser Forderung kontrollieren. Die ISPM 15 Kennzeichnung gibt Auskunft darüber, ob Auftragnehmer und Subunternehmer alles richtig gemacht haben. Im Zweifel stehen noch die Pflanzenschutzdienste der Bundesländer bereit, begründete Verdachtsfälle zum Beispiel über Mengenplausibilitäten zu prüfen. Keinesfalls dürfen in letzter Konsequenz die rechtschaffenden Unternehmen der Branche das Nachsehen haben.“
Weitere Informationen unter www.hpe.de
Zum HPE: Der Bundesverband Holzpackmittel, Paletten, Exportverpackung (HPE) e.V. feiert 2019 sein 150-jähriges Bestehen. Er ist ein Fachverband mit mehr als 430 überwiegend inhabergeführten Unternehmen aus allen Bereichen der Holzpackmittelindustrie, die etwa 80 % des Branchenumsatzes von rund 2,3 Mrd. Euro repräsentieren. Die Mitglieder des HPE sind Anbieter von Paletten, Packmitteln, Kabeltrommeln, Steigen und Spankörben aus Holz sowie Dienstleister aus den Bereichen Verpacken, Containerstau und Logistik. Der hochgerechnete Holzbedarf der Branche liegt – inklusive der Kleinbetriebe unter 20 Mitarbeitern – bei rund sechs Mio. Kubikmetern.
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