Verband der Deutschen Möbelindustrie e. V. (VDM)
Jahres-Wirtschafts-Pressekonferenz des VDM
Möbelindustrie wächst im 1. Halbjahr nur leicht um 1 %27.08.2018 Jan Kurth, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie, erklärt während der Jahres-Wirtschafts-Pressekonferenz des VDM am 27. August 2018 in Köln zur wirtschaftlichen Situation der Branche:
Möbelindustrie wächst im 1. Halbjahr nur leicht um 1 %
Fast jedes dritte Möbelstück geht bereits in den Export
Onlinekauf von Möbeln liegt mittlerweile bei 14 Prozent
Am Ende eines Jahrhundertsommers, der die Verbraucher eher in die Freibäder und Biergärten als in die Möbelhäuser getrieben hat, blickt die deutsche Möbelindustrie auf eine entsprechend verhaltene Branchenentwicklung. Nach einem Umsatzrückgang im zweiten Halbjahr 2017 hat sich die Konjunktur der Hersteller im ersten Halbjahr 2018 zwar leicht verbessert, doch unter dem Strich tritt der Möbelabsatz besonders im Inland auf der Stelle. Während der Jahresstart im Umfeld der imm cologne noch deutlich positiv ausgefallen ist, stellte sich anschließend eine deutliche Beruhigung des Geschäfts ein.
Von Januar bis Juni lagen die Umsätze der Branche bei rund 9,1 Mrd. Euro und damit leicht um 1 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Nach einem Umsatzminus von 0,7 Prozent im Gesamtjahr 2017, das insbesondere von einer negativen Dynamik im zweiten Halbjahr (-1,6%) geprägt war, konnten die deutschen Möbelhersteller somit wieder leichte Umsatzzuwächse generieren, die Lage ist jedoch nicht zufriedenstellend.
Wachstumsimpulse kommen aus dem Ausland
Das leichte Wachstum ging dabei ausschließlich auf das Konto des Auslandsgeschäfts, denn der Umsatz jenseits der Grenzen stieg in den ersten sechs Monaten um 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dagegen stagnierte der Inlandsumsatz mit einem minimalen Plus von 0,3 Prozent. Das Exportgeschäft profitierte von der Nachfragebelebung in wichtigen europäischen Absatzmärkten sowie zunehmend der positiven Wirtschaftsentwicklung in den großen Wachstumsregionen außerhalb der EU. Fast ein Drittel der deutschen Möbelexporte wird inzwischen in Nicht-EU-Länder abgesetzt.
Ergebnisse der aktuellen VDM-Umfrage
Der VDM führte im Sommer 2018 eine Umfrage zur wirtschaftlichen Lage bei den Unternehmen der Branche durch. Die aktuelle Geschäftslage wird dabei von den Teilnehmern als befriedigend (34%) bis schlecht eingeschätzt (40%), nur 26 Prozent bewerten die aktuelle Geschäftslage als gut. Im Vergleich zum Sommer 2017 hat sich die Geschäftslage nach Ansicht von 51 Prozent der Befragten verschlechtert.
Geschäftslage im Export besser als der Inlandsmarkt
Das Auseinanderfallen von Inlandsmarkt und Exportgeschäft spiegelt sich auch in der Wirtschaftsumfrage: Während die Lage im Inlandsgeschäft von den meisten Befragten (57%) als schlecht bewertet wird, betrachtet die überwiegende Zahl der Hersteller die Lage im Exportgeschäft als gut (29%) bis befriedigend (56%).
Die derzeit schwierige Inlandsnachfrage wird grundsätzlich auch vom Möbelhandel bestätigt. Natürlich verlagerten die anhaltend hohen Temperaturen viele Aktivitäten nach draußen, doch greift diese Erklärung alleine zu kurz. Um hier ein wenig mehr Erkenntnisse zu bekommen, hat der VDM im Juli beim renommierten Marktforschungsinstitut Kantar TNS eine repräsentative Studie in Auftrag gegeben, die das Kaufverhalten der Deutschen bei Möbeln unter die Lupe genommen hat. Uns interessierte vor allem, wo sich die Menschen über Möbel informieren und wo sie diese kaufen. Sind es die Werbebeilagen in Tageszeitungen oder doch die Webseiten von Händlern? Kaufen die Menschen Möbel vermehrt im Internet oder stimmt die offizielle Vertriebswege-Statistik, die seit Jahren fast stabil immer zwischen 7 und 8 Prozent Anteil auswirft?
Kunden informieren sich zunehmend im Internet
Zunächst ein Blick auf die Informationsquellen: Das Möbelgeschäft - also das Anschauen von Möbeln - selbst ist insgesamt immer noch die wichtigste Informationsquelle (68%), gefolgt von Prospekten der Möbelhäuser (54%). Aber 48% aller Befragten nutzen mittlerweile das Internet als Informations- und Inspirationsquelle. In den jüngeren Zielgruppen (<40 Jahre) verlagert sich die Bedeutung der Informationsquelle deutlich und es dominiert das Internet (77%) wobei das Möbelhaus immerhin noch 63 % nutzen.
80 % haben in den letzten 5 Jahren größere Möbel gekauft
In Sachen formaler Bildungsabschluss gibt es eine eindeutige Korrelation zu den Informationsquellen: Bei eher niedriger Bildung bevorzugen die Menschen Prospekte und Werbung der Möbelhäuser. Je höher die Bildung ist, desto mehr Informationen werden aktiv über das Internet beschafft.
Zusätzliches Online-Potenzial
Online-Shopping oder Einkaufsbummel? Generell haben gut 80 % der Deutschen in den vergangenen 5 Jahren größere Möbelstücke gekauft. Wie zu erwarten, nimmt dieser Anteil mit steigendem Lebensalter ab. 75 % derer die Möbel gekauft haben, haben diesen letzten Einkauf im Möbelgeschäft getätigt. Knapp 10 % unter den Käufern bei einem reinen Onlinehändler und noch einmal 4 % über das Internetportal eines Möbelhauses. Somit liegen wir heute bei 14 % Anteil beim Online-Shopping und damit doppelt so hoch, wie die offizielle Vertriebswege-Statistik auswirft. Bei den Onlinekäufern liegen die Single-Haushalte und die unter 30-jährigen deutlich vorne. Während die jungen Menschen sicherlich auch mit zunehmendem Alter nicht mehr auf den Online-Kauf von Möbeln verzichten werden und neue „online-affine“ Verbraucher heranwachsen, sinkt zudem die „Normalitätsschwelle“ auch für die übrigen Altersgruppen. Der Onlinekauf von Möbeln hat damit sicherlich noch sehr viel Potenzial und Industrie und Handel sind gut beraten, dieses Potenzial mit ansprechenden Konzepten und zielgruppen-adäquater Information abseits der „Schnitzel- und Rotstiftwerbung“ zu bedienen.
Amtliche Auswertung: Umsatz in den einzelnen Segmenten
Zudem sehen wir Chancen für die Möbelwirtschaft insgesamt bei einem Anwachsen des Onlinegeschäfts: Einerseits ist die Preis- und Rabattfixierung dort nicht ganz so stark ausgeprägt wie im stark konzentrierten stationären Handel. Anderseits können online-typische kurze Lieferzeiten und Verfügbarkeiten aus dem Inland tendenziell flexibler bedient werden als aus Asien.
Die einzelnen Segmente der deutschen Möbelindustrie entwickelten sich von Januar bis Juni 2018 nach Angaben der amtlichen Statistik uneinheitlich. Die Küchenmöbelhersteller verzeichneten einen Umsatzanstieg um 4 Prozent auf rund 2,5 Mrd. €. Die Büromöbelindustrie wies mit einem Umsatz von rund 1,1 Mrd. € ein deutlich positives Ergebnis aus (+7,9%). Auch die Hersteller von Laden- und sonstigen Objektmöbeln lagen um 7,2 Prozent über dem Vorjahreswert und erzielten einen Umsatz von rund 920 Mio. €. Einen spürbaren Rückgang registrierten die Hersteller von Polstermöbeln, deren Umsätze von Januar bis Juni 2018 um 5,3 Prozent auf rund 480 Mio. € zurückgingen. Auch die Umsatzentwicklung bei den Wohnmöbeln, sonstigen Möbeln und Möbelteilen fiel mit minus 1,6 Prozent auf 3,7 Mrd. € negativer aus als im Branchendurchschnitt. Das kleinste Segment der Branche – die Matratzenindustrie – wies das signifikanteste Umsatzminus in Höhe von 12,8 Prozent auf rund 400 Mio. € aus. Dieses muss allerdings mit Hinweis auf die überdurchschnittlichen Umsatzzuwächse in diesem Segment in den vergangenen Jahren relativiert werden.
Möbelindustrie generiert neue Arbeitsplätze
Hier noch ein Blick auf die Beschäftigtendaten der Branche: In den aktuell 482 Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten (-2,2%) arbeiten 84.300 Frauen und Männer und damit liegen wir leicht (+0,7%) über dem Niveau des Vorjahres. In der Branche wurden - trotz des schwierigen Marktumfeldes - binnen eines Jahres rund 600 neue Arbeitsplätze geschaffen.
Die deutschen Möbelexporte legten im ersten Halbjahr 2018 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,2 Prozent auf 5,5 Mrd. € zu. Der Absatz in die EU-Länder bewegte sich mit einem Plus von 1,2 Prozent nur leicht über dem Niveau des Vorjahres und entwickelte sich damit deutlich schwächer als die gesamten Exporte. Zwar konnten die Ausfuhren in den wichtigsten Exportmarkt der deutschen Möbelindustrie nach Frankreich um 3,5 Prozent gesteigert werden, auch der niederländische (+6,2%), der polnische (+10%) und der spanische Markt (+6,1%) entwickelten sich aus Sicht der deutschen Möbelindustrie positiv. Jedoch waren die Möbelausfuhren in so wichtige Absatzmärkte wie Österreich (-1,3%) und die Schweiz (-3,8%) rückläufig.
Negativer Trend in Großbritannien
Die Möbelindustrie bekam auch die negativen Auswirkungen der Brexit-Diskussion und der Abwertung des Pfund im bisherigen Jahresverlauf deutlich zu spüren, denn die Möbelausfuhren nach Großbritannien reduzierten sich im ersten Halbjahr 2018 um 8,9 Prozent. Kein anderer großer Exportmarkt entwickelte sich aus der Sicht der deutschen Möbelhersteller schlechter als das Vereinigte Königreich.
Export in die USA, nach China und Russland boomt
Die wichtigsten Wachstumsmärkte für deutsche Möbel liegen derzeit außerhalb der EU. Besonders hervorzuheben ist die hervorragende Performance deutscher Möbelhersteller in den großen Wachstumsmärkten USA (+9,5%), China (+25,9%) und Russland (+14%). Aufgrund der jeweiligen Marktgröße und der starken Nachfrage nach hochwertigen Möbeln sind auch diese Ergebnisse sicherlich ausbaufähig. Auch andere außereuropäische Märkte wie Kanada, Mexiko, Japan, Südkorea oder Singapur entwickeln sich derzeit positiv, allerdings bewegen sich die Ausfuhren in diese Länder noch auf einem relativ niedrigen Niveau. Insgesamt dürften sich die Nicht-EU-Länder in den kommenden Jahren zu einem wichtigen Wachstumsmotor der deutschen Möbelindustrie entwickeln.
Exportquote steigt auf 32,6 Prozent
Die Industrieexportquote – dies ist der Anteil der von den heimischen Möbelherstellern direkt ins Ausland gelieferten Ware am Gesamtumsatz der Branche – kletterte im ersten Halbjahr 2018 auf 32,6 Prozent und erreichte damit einen neuen Höchstwert. Im ersten Halbjahr 2017 lag der entsprechende Wert noch bei 32,1 Prozent. Seit der Jahrtausendwende konnte die Exportquote in der Möbelindustrie damit verdoppelt werden.
Wertschätzung für Möbel Made in Germany
Der Erfolg deutscher Möbelhersteller im Ausland ist der Qualität, der Lieferzuverlässigkeit, dem Design und der Individualität unserer Produkte zu verdanken. Die deutschen Hersteller beherrschen die Abläufe und die Logistik oft besser als ihre internationalen Wettbewerber. Dies sind wichtige Kaufargumente für den Verbraucher – in Shanghai, St. Petersburg und San Francisco gleichermaßen.
Stärkere Exportunterstützung
Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Exports für die Branche wird der VDM in Kürze seine Exportunterstützung für die Unternehmen ausbauen: ein neuer VDM-Arbeitskreis Export soll dem Austausch der einzelnen Hersteller dienen, die Schwerpunktmärkte festlegen und die gesamten Export- und Messeaktivitäten der Branche koordinieren. Das know how zu den einzelnen Exportmärkten wird den Möbelherstellern gezielt im Rahmen von Informationstagen und Workshops vermittelt. Parallel werden praktische Arbeitshilfen für das erfolgreiche Engagement deutscher Möbelhersteller im Ausland zur Verfügung gestellt. Diese zusätzlichen Exportaktivitäten sollen den deutschen Möbelherstellern helfen, weitere Marktanteile auf dem Weltmarkt zu gewinnen.
Importe leicht im Plus
Die Importkonkurrenz bleibt hoch: nachdem die deutschen Möbelimporte im Gesamtjahr 2017 noch um 0,8 % auf 12,7 Mrd. € gestiegen waren, legten sie im ersten Halbjahr 2018 erneut um 0,6 % auf 6,6 Mrd. € zu. Das Außenhandelsdefizit reduzierte sich im gleichen Zeitraum aufgrund der deutlich gestiegenen Exporte jedoch um 8,1 % auf rund 1,2 Mrd. €. Insgesamt setzen sich die osteuropäischen Möbelimporte in Deutschland zunehmend gegenüber der asiatischen Konkurrenz durch. Polen gewann 7,4 Prozent hinzu und blieb wie in den vergangenen Jahren das mit Abstand volumenträchtigste Möbelherkunftsland. Mehr als jedes vierte nach Deutschland importierte Möbel (26,3%) stammt inzwischen aus unserem östlichen Nachbarland. Tschechien blieb mit einem leichten Plus von 0,7 Prozent das drittwichtigste Importland. Insgesamt konnten die Einfuhren aus den EU-Ländern deutlich um 1,8 Prozent zulegen. Dagegen sanken die Einfuhren aus Asien überdurchschnittlich (-5,9%), hier insbesondere aus Vietnam (-12,3%), Taiwan (-13,9%) und Indonesien (-9,8%). Auch die Importe aus dem zweitwichtigsten Importland China waren mit einem Minus von 5,2 Prozent deutlich rückläufig. Die Struktur der deutschen Möbelimporte weist eine hohe Konzentration auf: Allein auf die drei wichtigsten Lieferländer Polen, China und Tschechien entfallen aktuell rund 56 Prozent der gesamten deutschen Möbelimporte.
Steigende Materialkosten treffen die Branche massiv
Fast zwei Drittel der Teilnehmer der VDM-Umfrage gehen davon aus, dass die Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten gleich bleibt. 24 Prozent der Befragten rechnen mit einer Verbesserung, nur 12 Prozent mit einer Verschlechterung der Lage. Nach Einschätzung der Befragten wird die Konjunktur in den kommenden sechs Monaten vor allem durch die steigenden Rohstoffpreise (33% aller Befragten), den Fachkräftemangel (27%), den zunehmenden Importdruck (18%) und die zunehmend protektionistisch ausgerichtete Handelspolitik (9%) beeinflusst.
Prognose für das laufende Jahr: +1%
Gerade die steigenden Materialkosten für Massivholz stellen sich als Hindernis für die Branchenentwicklung dar. Die befragten Unternehmen der deutschen Möbelindustrie berichten von einem durchschnittlichen Anstieg der Massivholzkosten von 9 Prozent im Vergleich zum Sommer 2017. Die Holzwerkstoffe verteuerten sich im gleichen Zeitraum um 5 Prozent, die Logistikkosten ebenfalls um 5 Prozent und die Personalkosten immerhin um 3 Prozent. Dieser Kostenanstieg kann angesichts der Marktmacht der Einkaufsverbände nur unzureichend an den deutschen Möbelhandel weitergegeben werden.
Während der Beitrag der Auslandsmärkte zum Umsatz der deutschen Möbelindustrie angesichts der zuletzt sehr deutlichen Zuwächse auch im zweiten Halbjahr positiv bleiben dürfte, trübt sich die Konjunktur im Inland zunehmend ein. Auch die Verbraucherstimmung in Deutschland lässt nach. Die Konjunkturprognosen für das laufende Jahr wurden von den führenden Wirtschaftsforschern zuletzt deutlich nach unten revidiert. Vor diesem Hintergrund gehen wir auch am Ende des Jahres von einem Umsatzplus von rund 1 Prozent in 2018 aus.