Bad Honnef/Garmisch-Partenkirchen. Mehr als 400 Teilnehmer zählte der Bundesverband Deutscher Fertigbau (BDF) beim diesjährigen Fertigbau-Forum in Garmisch-Partenkirchen. Aufgrund der großen Nachfrage fand der Prolog II des 23. Internationalen Holzbau-Forums (IHF) auch in diesem Jahr im großen Saal des Kongresshauses in Garmisch statt. Thematisch drehte er sich rund um die „Digitalisierung im Bauwesen und spezifisch im Holzbau“.
„Wir dürfen nicht nur mit dem Finger auf die Politiker zeigen, wenn es um die Umsetzung der Digitalisierung geht. Wir müssen auch selbst aktiv werden und unser Arbeitsumfeld an die reichhaltigen Möglichkeiten und nicht so fernen Visionen der Digitalisierung anpassen“, sagte BDF-Geschäftsführer und Moderator Georg Lange. Als erste Referentin durfte er Nicole Hanisch vom rheingold-Institut Köln/San Francisco begrüßen. Ihr folgte Michael Voigtländer vom IW-Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Die Marktforscherin und der Volkswirt skizzierten die Zeichen der Zeit für den Fertigbau. Hanisch nahm die Gesellschaft tiefenpsychologisch ins Visier und zeigte unterschiedliche Typen von Fertighaus-Bauherren auf, die im Zuge der Digitalisierung ganz verschieden angesprochen werden können und wollen. Der Fertigbau sei gefordert, erstens Werte zu schaffen und zu erhalten; zweitens ein emotionales Wohlfühlklima für seine Kunden zu schaffen; drittens Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung ihrer persönlichen Zukunft zu bieten; und viertens sachliche Technik kundengerecht zur Verfügung zu stellen. „Verbraucher wollen die Einfachheit und den Komfort der digitalen Welt und zugleich die sinnliche Erfahrung und die Begegnungen der analogen Welt“, so Hanisch.
Michael Voigtländer äußerte im zweiten Vortrag die Sorge, dass zu wenig neuer Wohnraum in den Städten und dafür zu viele Wohnungen in ländlichen Regionen errichtet werden. „Der sogenannte Donut-Effekt besagt, dass viele Kleinstadtzentren veröden, wenn sich die Außenbezirke ausweiten. Kommunen weisen vielerorts eher Neubaugebiete am Stadtrand aus, statt im Zentrum auch mal einen Altbau abzureißen und die entstandene Fläche neu zu bebauen“, sagte der Volkswirt. Die Digitalisierung könne dazu beitragen, dass Bauland einfacher erfasst und ausgewiesen werden kann. Die Tatsache, dass es immer mehr Menschen in die deutschen Großstädte zieht, führte er unter anderem auf das bessere Jobangebot dort zurück. „Wenn Arbeitnehmer im Zeitalter der Digitalisierung anstatt im Büro vermehrt von zu Hause arbeiten, könne sich die Produktivität von Unternehmen verringern“, so seine Befürchtung. Daher müssten die Rahmenbedingungen für gezieltes Bauen mit guter Anbindung an die Städte verbessert werden.
In der zweiten Halbzeit des Fertigbau-Forums ging es im Besonderen um die Digitalisierung in der Holzbaubranche. Gerd Prause von Prause Holzbauplanung aus Lindlar ging der Frage nach: „Können kleine Holzbau-Betriebe in der heutigen Zeit große Projekte umsetzen?“ Er beantwortete diese mit „Ja“. „Wir sollten Gebäude erst digital bauen, bevor wir sie real bauen. Die Digitalisierung hat das technisch möglich gemacht“, sagte Prause und verwies auf das Building Information Modeling (BIM). Der BIM-Koordinator übernehme die zentrale Rolle für den Hausbau. Mit einem bewährten Netzwerk aus Partnerunternehmern könne durch die Digitalisierung selbst ein Einzelunternehmer als BIM-Koordinator ein großes Bauvorhaben realisieren. Ein hoher Vorfertigungsgrad müsse hierfür immer das Ziel sein. Eine klar definierte Aufgabenverteilung sei ebenso unerlässlich wie die Fachkompetenz aller Beteiligten.
Fabian Scheurer von Design-to-Production aus Zürich vertiefte in seinem Vortrag das BIM. Eine große Herausforderung der Modellqualität seien unterschiedliche Modell- und Fertigungstoleranzen. Fertigungsmaschinen müssten noch präziser werden, wenngleich die Vorfertigung heute schon die beste Lösung sei, um Komplexität weg von der Baustelle zu bekommen. „Wenige Teile! Schlaue Details! – das muss das Prinzip sein, mit dem wir Vorfertigung denken“, so Scheurer. Der Holzbau biete sehr gute Rahmenbedingungen für zukunftsfähiges Bauen im Zeitalter der Digitalisierung.
Als weiterer bedeutender Bereich der Digitalisierung von Arbeitswelten wurde schließlich die robotergestützte Automation im Holzbau thematisiert. Stefan Jack vom Schweizer Industrieunternehmen Güdel aus Langenthal stellte fest, dass es bislang – wenn überhaupt – eine inselartige Automation und keine durchgängige Verkettung der Prozesse durch eine ganze Produktionshalle gibt. Und das, obwohl ein großer Nutzen von der robotergestützten Automation in der Elemente-Produktion zu erwarten sei, sofern wichtige Voraussetzungen erfüllt werden. Diese seien zum Beispiel die fristgerechte Bereitstellung des Baumaterials, die Durchgängigkeit der Prozesskette und automationsgerechte Konstruktionen. „Ein sinnvoller, maximaler Automationsgrad für Losgröße 1 liegt bei 75 bis 80 Prozent“, so Jack. Grenzen der Automation im Fertigbau seien etwa die Fenstermontage, das Einsetzen von Elektrodosen und Leerrohren sowie das Malen und Verputzen.
Im Anschluss an den letzten Vortrag bot sich den anwesenden Unternehmern und Studenten die Möglichkeit, Fragen an die Referenten zu stellen und mit ihnen in eine Diskussion einzusteigen. Dabei stellte Gerd Prause fest: „Es ist wichtig, dass eine Kultur entsteht, in der wir bei einem gemeinsamen Prozess ganz klar Stellung beziehen: Wir müssen einbringen, was wir können, aber auch ehrlich sagen, was wir nicht können. Nur so können wir gemeinsam an Lösungen arbeiten.“ Moderator Georg Lange bilanzierte: „Es wird eine wichtige Aufgabe der Hochschulen und Unternehmen sein, jetzt Fachkräfte auszubilden, die BIM im Blut haben. Gleichzeitig müssen wir alle gemeinsam Rahmenbedingungen schaffen, die es uns ermöglichen, die Modellierung und Automation in die Unternehmen zu bringen. Dann können wir in fünf Jahren an gleicher Stelle feststellen, wie wir die Digitalisierung aktiv für uns genutzt haben.“ BDF/FT
Bild 1: (v.l.n.r.) Georg Lange, Stefan Jack, Fabian Scheurer, Gerd Prause. Foto: BDF
Bild 2: Nicole Hanisch nahm die Menschen tiefenpsychologisch ins Visier. Foto: BDF
Bild 3: Michael Voigtländer: „Die Menschen zieht es in die Städte.“ Foto: BDF
Bild 4: Der große Saal des Kongresshauses in Garmisch war gut gefüllt. Foto: BDF
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