Bad Honnef/Garmisch-Partenkirchen. Das Fertigbau-Forum im Rahmen des Internationalen Holzbau-Forums (IHF) in Garmisch-Partenkirchen war auch in diesem Jahr ein voller Erfolg: Johannes Schwörer, Präsident des ausrichtenden Bundesverbandes Deutscher Fertigbau (BDF) freute sich, zahlreiche Holzbau-Interessierte im großen Saal des Kongresshauses begrüßen zu dürfen. Die bekamen spannende Vorträge zur Zukunft des Bauens und insbesondere zum Spannungsverhältnis zwischen Baukosten und Ausführungsqualität geboten.
Die Bauwirtschaft sei gegensätzlichen Anforderungen ausgesetzt, sagte Schwörer. Einerseits sollen Kosten reduziert werden, andererseits sollen Neubauten ihre Aufgaben durch eine hohe Ausführungsqualität über einen langen Zeitraum sicher erfüllen. Im Zuge der Digitalisierung sehe man sich zwar neuen Herausforderungen gegenüber. Gleichzeitig würde sich aber auch ein Lösungsansatz für das beschriebene Spannungsfeld bieten, da umfassende digitale Modelle eine weit vor Baubeginn mögliche Feststellung der Gesamtqualität und –kosten inklusive dem Aufwand für die Bewirtschaftung bieten können, so der BDF-Präsident.
Als erster von insgesamt fünf externen Referenten stellte Reinhard Zingler, Vorstand der Joseph-Stiftung, hohe Qualität und preiswürdiges Bauen am Beispiel eines Wohnungsbauprojektes im mittelfränkischen Ansbach in den Kontext sozialer und ökologischer Verantwortung. Das kirchliche Wohnungsunternehmen verfolgt das Ziel heterogene Wohnstrukturen zu schaffen, bei denen die soziale Komponente ganz vorne steht. „Haustechnik, die vom Mieter nicht verstanden wird und die hohe Kosten für Wartung und Instandhaltung mit sich bringt, ist auf Dauer nicht ohne Verluste zu beherrschen“, so Zingler. Die Baukörper des Mehrfamilienhauses in Ansbach hat die Stiftung vollständig aus Holz realisiert. Das trage gemeinsam mit einer benutzerfreundlichen Haustechnik und planerischen Details wie einem Innenhof mit Gemeinschaftsfläche entscheidend zur hohen Aufenthaltsqualität bei.
Definierte Qualitätskriterien als Basis für Bauen im Zeitalter der Digitalisierung
Antje Wagner und Florian Bauer von der Bundes-Gütegemeinschaft Montagebau und Fertighäuser (BMF) gaben Einblicke in die Definition und Überwachung von Ausführungsqualität und Standards im modernen Holz-Hausbau. Natalie Eßig, Professorin für Architektur an der Universität München, referierte über die Nachhaltigkeitszertifizierung „Bewertungssystem Nachhaltiger Kleinwohnhausbau“ (BNK) als Werkzeug zur Qualitätssicherung. „Definierte Qualitätskriterien dienen einerseits dem Bauherrn zur Sicherheit hinsichtlich seiner zertifizierten Immobilie, andererseits mit Blick auf die Zukunft als verlässliche Grundlage zur gezielten Datenerhebung eines Gebäudes“, fasste Moderator Georg Lange, technischer Leiter beim BDF, zusammen. Diese Datenerhebung werde im Zuge der Digitalisierung und der fortschrittlichen Gebäudeplanung BIM (Building Information Modeling) immer wichtiger.
Das bestätigten die beiden Referenten Christoph Gröner, Vorstandsvorsitzender des Immobilien-Projektentwicklers CG-Gruppe, und Jürgen Sperzel von der Schweizer Immobilien-Gesellschaft Swiss Property. „Die Digitalisierung gibt uns die Möglichkeit, ein Projekt frühzeitig in seiner Komplexität zu begreifen, dank eines mehrdimensionalen Modells“, so Gröner, der die Automobilindustrie als Vorbild nannte und die deutsche Baubranche gegenüber der Konkurrenz aus Asien oder anderen europäischen Ländern im Hintertreffen sieht. „Bevor ich ein Grundstück erwerbe, muss ich die Betriebsdaten des Gebäudes kennen, um eine erfolgreiche Planung durchführen zu können. Diese Daten bekommen wir aus verschiedenen Ansätzen wie BIM oder dem Steckbriefsystem von Nachhaltigkeitszertifizierungen“, führte Sperzel aus.
Er hofft auf weitere Lernprozesse in der Bauindustrie, um deren Effizienz zu steigern und um möglichst frühzeitig und umfassend die Entstehungs- und Bewirtschaftungskosten eines Gebäudes zu kennen: „Wenn das Wissen und die Erfahrung wachsen, wird der Zeitumfang einzelner Projekte schrumpfen bei weiterhin hoher Ausführungsqualität. Wir müssen die neue Welt mit der klassischen Welt zusammenbringen.“ Professorin Eßig ergänzte: „Wir müssen dahin kommen, die Planungsphase so umfangreich und zielführend wie möglich zu gestalten, damit die Bauphase so kurz wie möglich wird.“ Mit dieser Kernkompetenz möchten sich der Fertigbau und dessen Unternehmen auch in Zukunft von Wettbewerbern abheben. In fünf bis sieben Jahren, so resümierte Georg Lange, werde die Digitalisierung die Bauindustrie in Deutschland weitreichend durchdrungen haben. Um die Fortschrittlichkeit des deutschen Fertigbaus aufrechtzuerhalten, müssen dafür jetzt die Weichen gestellt werden: „Die Unternehmen, aber auch die Hochschulen sind gefordert, junge Fachkräfte zukunftsfähig auszubilden, damit ihnen andere Länder wie zum Beispiel Großbritannien im internationalen Vergleich nicht weiter den Rang ablaufen“, so Lange. BDF/FT
Bild 1: Reinhard Zingler verdeutlichte die soziale Dimension des Wohnungsbaus. Foto: BDF
Bild 2: Prof. Dr. Natalie Eßig stellte das „Bewertungssystem Nachhaltiger Kleinwohnhausbau“ (BNK) vor. Foto: BDF
Bild 3: Christoph Gröner möchte kurzfristig die Chancen der Digitalisierung nutzen. Foto: BDF
Bild 4: Jürgen Sperzel: „Wir müssen die neue Welt mit der klassischen Welt zusammenbringen“. Foto: BDF
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