Bad Honnef. Seit mehr als 1000 Jahren ist Mitteleuropa christlich geprägt. Während über viele Jahrhunderte Erdbestattungen das Nonplusultra waren, kamen im Laufe des vergangenen Jahrhunderts zunehmend Feuerbestattungen hinzu. Auch die Sargherstellung ändert sich zu diesem Zeitpunkt nachhaltig: Von Maßanfertigungen nach dem Tod des Menschen hin zu einer industriell geprägten Fertigung. „Damit einher gingen massive Veränderungen der Bestattung an sich – vom feierlichen Ritus mit festen Abläufen hin zu einer immer stärker werdenden Individualisierung.
„Nichts ist so beständig wie der Wandel“: Dieser Spruch des Heraklit von Ephesus gilt für viele Bereiche des Lebens, ganz besonders jedoch für die Entwicklung der deutschen Bestattungskultur. „Über die Jahrhunderte hat sich die Bestattung Verstorbener von dem ursprünglich festen Procedere immer weiter entfernt, ein Trend, der bis heute anhält“, so der Geschäftsführer des Bundesverbandes Bestattungsbedarf, Dirk-Uwe Klaas.
Die Feuerbestattung tritt ihren Siegeszug an
Vom Mittelalter bis in die Mitte der 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts entsprach es der durch den katholischen Glauben geprägten Tradition, Verstorbene in geweihtem Boden beizusetzen. Verbrannt wurden dem mittelalterlichen Aberglauben folgend lediglich Menschen, die der Hexerei bezichtigt wurden. Erst lange nach dem Mittelalter, genauer gesagt nach dem 2. Vatikanischen Konzil, das von 1962 bis 1965 stattfand, öffnete man sich dem Thema Feuerbestattung mit sehr viel mehr Offenheit. In Gotha gab es zwar bereits 1878 das erste Krematorium und bald danach erste Feuerbestattungs-Vereine, hier spielte das Thema Einäscherung allerdings zunächst eine nur untergeordnete Rolle – zu viele Vorurteile galt es, aus dem Weg zu räumen. „Heute haben Feuerbestattungen die klassische Erdbestattung zahlenmäßig überholt. Die Feuerbestattung findet im Krematorium bei der Einäscherung statt. Beigesetzt wird dann in der Urne auf dem Friedhof, im Friedwald, auf offener See und an weiteren Orten, soweit dies rechtlich zulässig ist“, erklärt Klaas.
Vom Kirchensarg zur industriellen Fertigung
Auch der Sarg an sich hat eine wechselvolle Geschichte erlebt. Wurde er in der Vergangenheit zunächst erst nach dem Tode des Verstorbenen von spezialisierten, kirchennahen Stellen maßgefertigt, ändert sich dies nach dem ersten Weltkrieg: Schreiner und Tischler treten auf den Plan und beginnen mit einer breiteren, handwerklich geprägten Sargproduktion. Von „Sargindustrie“ spricht man dann erst im 20. Jahrhundert, und zwar in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Ab diesem Zeitpunkt werden Särge von der auftragsbezogenen Einzelfertigung bis hin zu Losgrößen in der Teilefertigung von 100 bis 200 Stück hergestellt, in genormten Maßen und in den unterschiedlichsten Farben und Formen. Während die Sargherstellung also großen Veränderungen unterworfen ist, wandelt sich das letzte Ruhebett kaum: Der Verstorbene wird seit jeher eingebettet, um sich gebührend von ihm verabschieden zu können. Dabei liegt der Kopf auf einem Kissen und der Körper ist mit einer Decke bedeckt. Dazu kommen gefaltete Hände und zunächst ein einfaches Bestattungskleid oder -hemd. Allerdings setzt auch hier ab den 1980er-Jahren ein Umdenken ein. Es entwickelt sich ein Trend hin zur eigenen Kleidung oder zum eigenen Anzug, um der individuellen Persönlichkeit des Verstorbenen besser gerecht zu werden.
Der Bestatter wird vom „Leichenversorger“ zum Dienstleister
Auch am Bestatterberuf an sich ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen: Der Bestatter verwandelt sich ab 1950 langsam und stetig vom Handwerker und „Leichenversorger“ zum Betreuer und Dienstleister, aber auch zum Seelsorger und Trauerredner. „Oft ist der Bestatter heute der erste Ansprechpartner der Trauernden und nicht mehr unbedingt der Pfarrer“, berichtet Klaas. Der Bestatter bietet zudem verstärkt juristische Hilfe an und die organisatorische Abwicklung der Beerdigung nimmt immer mehr Raum und Zeit in Anspruch. So ist es nur logisch, dass aus dem ehemals freien Beruf ein echter Ausbildungsberuf mit einem eigenen Schulungszentrum wird, das heute in Münnerstadt in Unterfranken angesiedelt ist. Dort werden am Berufsbild des Bestatters interessierte Menschen professionell auf ihren beruflichen Werdegang vorbereitet.
Quo vadis „Bestattungskultur“?
Schwer abzusehen ist indes, wie sich die Bestattungskultur in Deutschland weiterentwickeln wird. Im Norden verlor die Erdbestattung zuerst ihre Bedeutung, nach der Wiedervereinigung war dies schließlich in ganz Deutschland der Fall. Es entstehen erste anonyme Grabfelder, Trauerfeiern werden auf das Nötigste begrenzt, die Grabpflege wird zurückgefahren und auch die Steinmetze haben mit einem rückläufigen Interesse an ihrer Arbeit zu kämpfen. Ein weiteres Problem ist auch die Abschaffung des Sterbegeldes im Jahr 2004. Schließlich kommen Friedwälder und Ruheforste in Mode, obwohl die Erreichbarkeit für ältere Menschen mit Rollator oder Gehhilfen ein Problem darstellen kann, die Baumbestattung als Form der Feuerbestattung folgt dem Zeitgeist – Natürlichkeit ist gefragt, Grabpflege nur noch bedingt. Dazu Klaas abschließend: „Es bleibt angesichts dieser Entwicklungen zu wünschen, dass sich die Menschen wieder etwas mehr auf das Wesentliche besinnen: Einen würdevollen Abschied vom Verstorbenen und die Schaffung eines Ortes, an dem es sich persönlich und angemessen trauern lässt.“ (DS)
Bild:
Die deutsche Bestattungskultur unterlag und unterliegt großen Veränderungen. Foto: Bundesverband Bestattungsbedarf
Mehr Informationen unter
www.bundesverband-bestattungsbedarf.de.