Axel Schramm, Präsident des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie, erklärt bei der Jahres-Wirtschaftspressekonferenz des Verbandes am 27. August 2014 in Köln:
Möbelindustrie: Umsatzplus von 1,6 Prozent im 1. Halbjahr
Deutsche Möbel sind ein Qualitätsversprechen
Klage gegen Subventionen für polnische Möbelindustrie
Die deutsche Möbelindustrie hat im 1. Halbjahr 2014 ein Umsatzplus in Höhe von 1,6 Prozent erzielt. Damit tritt unsere Branche derzeit wirtschaftlich auf der Stelle. Dies wird sich nach unserer Einschätzung bis zum Jahresende auch nicht wesentlich ändern, so dass wir an unserer Prognose festhalten und von einer „schwarzen Null“ für das Gesamtjahr 2014 ausgehen.
Auffällig ist, dass diese eher unterdurchschnittliche Entwicklung der deutschen Möbelindustrie in einem insgesamt sehr guten Marktumfeld in Deutschland stattfindet. Die Verbraucherstimmung ist laut GFK im August weiter gestiegen und liegt jetzt so hoch wie seit sechs Jahren nicht mehr. Und das trotz internationaler Krisenherde, die eigentlich deutlich auf die Stimmung drücken müssten. Aber über allem stehen in Deutschland ein weiter robustes Wirtschaftswachstum, eine sehr dynamische Beschäftigungslage und steigende Einkommen. Zudem sind die Zinsen niedrig und das Bauaufkommen hoch. Über 200.000 neue Wohneinheiten in 2013 und ein Wohnungsbestand von knapp 40 Mio. Einheiten mit immensem Instandsetzungs- und Neu-Möblierungsbedarf bieten der heimischen Möbelindustrie viele Chancen.
Doch wir schaffen es noch nicht, uns gegen unsere Konkurrenten im Kampf um das Portemonnaie des Verbrauchers erfolgreich zu behaupten. Die Urlaubs- und Freizeitbranche sowie die Kommunikations- und Unterhaltselektronik können stärker punkten. Aber auch eine Möbel- bzw. Interieur-Branche kann und muss Begehrlichkeiten beim Endkunden wecken. Wenn uns das gelingt, können wir uns weiter nach oben entwickeln.
Und hier haben wir mit der anerkannt hervorragenden Qualität unserer Produkte ein echtes Ass im Ärmel. Qualität ist in allen Segmenten unserer Branche vorhanden und es ist wichtig, diesen Aspekt stärker nach außen zu stellen. Für uns als deutsche Hersteller ist Qualität – unabhängig vom Preissegment – selbstverständlich. Mit jedem deutschen Produkt, das im Handel angeboten wird, geben wir dem Verbraucher ein echtes Qualitätsversprechen. Mit unseren Produkten sitzt, schläft, wohnt und kocht jeder besonders hochwertig und diese Möbel halten oftmals ein Leben lang und verfügen tagtäglich über eine höhere Gebrauchstauglichkeit. Das ist zwar länger als es für uns Hersteller eigentlich wirtschaftlich gut ist, doch ich bin überzeugt, dass Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung in der Bevölkerung an Bedeutung gewinnen werden und wir hierfür die passende Antwort haben. Billig und Einweg können andere besser. Wir können Qualität.
Diese hohe Qualität ist Teil der bereits seit Jahren vorhandenen Designkompetenz der deutschen Möbelindustrie. Wir müssen es schaffen, die beiden Aspekte in Zukunft stärker miteinander zu verknüpfen und gemeinsam gegenüber dem Endkunden zu kommunizieren. Wir müssen klare Statements schaffen als deutsche Möbelindustrie, also als Möbel aus Deutschland erkennbar sein und nicht als Kopie der Stärke anderer. Auch aus diesem Grund setzen wir uns für eine europaweite verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Möbeln ein. Mit diesem obligatorischen „Made in Germany“ wird den Konsumenten neben dem Preis ein weiteres wichtiges Kaufargument an die Hand gegeben, das auch wichtige Informationen zu Herkunfts-, Sozial- und Qualitätsstandards gibt. Dies würde uns helfen, das gute deutsche Design zu kommunizieren. Das ist wichtig, denn Deutschland hat die Designerausbildung mit erfunden, hat heute international tätige Designer und bringt viel Nachwuchs hervor. Wir sollten mit dem Understatement im Möbelbereich aufhören und den Gleichklang von Qualität und Design als klaren Wettbewerbsvorteil sehen und darstellen. Hier ist jedes Unternehmen gefordert. Manche sehen nämlich gar nicht, wie gut sie sind. Unter Design verstehe ich dabei nicht nur die Form, sondern immer auch ein Stück Funktionalität. Und auch Funktionen in Möbeln kann niemand besser als wir.
Um unser Qualitätsversprechen an die Kunden zu bringen, brauchen wir eine enge Partnerschaft mit dem Handel. Natürlich kann man sich über die Vermarktungspraktiken vieler Möbelhäuser ärgern. Und trotz anderslautender Ankündigungen regiert nach wie vor der Rotstift die Kreativabteilungen der Möbelpaläste. So begeistert mich „50 Prozent auf alles“ und dazu ein Wiener Schnitzel für 2,99 € natürlich überhaupt nicht, aber wir müssen auch erkennen, dass wir Hersteller und der Handel in einem Boot sitzen und nur gemeinsam den Möbelabsatz in Deutschland steigern können – und ich spreche von Möbeln aus heimischer Produktion. Von nach wie vor gut 500 möbelherstellenden Industriebetrieben, meist Mittelständler, familiengeführt und mit Herz und Seele dabei.
Das Wohnbewusstsein der Bundesbürger steigt. Das ist eine Einladung an Möbelhandel und Möbelindustrie gleichermaßen. Wir müssen es schaffen, dass der Möbelkauf als Teil des Lifestyles, als Herzensangelegenheit angesehen wird – Qualität statt über den Discount abgewickelte unbedeutende Massenware. Das geht nur gemeinschaftlich mit dem Handel: etwa durch zielgruppenspezifische Präsentationen. Wir müssen es schaffen, nicht nur über den Preis, sondern über Argumente zu verkaufen. In Deutschland werden hochwertige Materialien verwendet und es wird mit einer besonderen Sorgfalt produziert und am Ende kontrolliert. Bei billiger Import-Massenware geht es ja nur um den niedrigsten Endpreis und nicht um Qualität. Die Konsumenten kennen das Thema beispielsweise aus dem Bekleidungsbereich. Hier ist jedem Käufer klar, dass manche Preise nur durch sehr geringe Material-, Produktions- und Qualitätsbedingungen zustande kommen. Ähnliches gilt für den Lebensmittelbereich. Und das ist bei Möbeln auch so. Hier muss die Sensibilität der deutschen Verbraucher gegenüber dem heimischen Produkt steigen. Er muss erkennen, dass er einen Mehrwert beim Kauf heimischer Möbel hat. Hier spielen auch Nachhaltigkeit, Umweltfreundlichkeit, Recycelbarkeit mit hinein.
Zudem müssen wir gemeinsam mit dem Handel auch Antworten auf die Fragen finden, die die zunehmende Vermarktung von Möbeln über das Internet aufwirft. Immer mehr Einrichtungsgegenstände werden mittlerweile über das Netz verkauft. Der zuletzt von der BBE Handelsberatung ermittelte Wert für den Online-Verkauf liegt bei 6,3 Prozent. Der Trend ist klar: Die Konsumenten informieren sich immer stärker im Netz und kaufen zunehmend auch auf diesem Wege ein. Ein komplexes Kulturgut wie Möbel lässt sich jedoch nicht ausschließlich am Computer begutachten und schon gar nicht erleben. Deswegen wird auch in Zukunft der stationäre Handel seine überragende Bedeutung behalten. Beide Vertriebsformen sind wichtig und bedingen einander. Gemeinsam mit dem Handel werden wir uns deswegen auf Veränderungen bei den Vertriebswegen einstellen müssen.
Um faire Marktchancen bemüht sich der VDM derzeit im Rahmen einer offiziellen Beschwerde bei der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission. So haben wir Beschwerde gegen die Subventionen an die polnische Möbelindustrie eingereicht. Diese richtet sich gegen Beihilfen für den Kauf bzw. die Modernisierung von technischen Anlagen zur Herstellung von Kastenmöbeln im Rahmen des Europäischen Strukturfonds. Insgesamt, so unsere Argumentation, haben die Subventionen in Polen dazu beigetragen, dass sich die Importmenge polnischer Schlafzimmer in Deutschland zwischen 2008 und 2013 verdoppelt hat. Der Marktanteil polnischer Hersteller für Schlafzimmermöbel insbesondere im Mitnahmebereich ist in einzelnen Preissegmenten auf mittlerweile fast 40 Prozent angestiegen. Obwohl sich die Beschwerde offiziell gegen Subventionen aus der vergangenen Förderperiode der Jahre 2008 bis 2013 richtet, erhoffen wir uns von unserer Argumentation eine stärkere Sensibilisierung der europäischen Vergabestellen für neue Subventionsanträge des Förderzeitraums 2014 bis 2020. Insofern setzen wir eher auf eine intensivere und kritischere Prüfung der in Polen vergebenen Strukturfondsmittel in der Zukunft denn auf eine Rückzahlung der in der Vergangenheit vergebenen Subventionsmittel.
Allgemein wird der Inlandsmarkt zunehmend dominiert von Importware. Mittlerweile liegt die Importpenetrierung – also der Anteil der Importware an den in Deutschland verkauften Möbeln – bei 58 Prozent. Und trotz schwierigem Marktumfeld in Deutschland steigen die Importe auch 2014 weiter. Allein in den ersten fünf Monaten 2014 legten die Möbelimporte um 6,8 Prozent auf 4,6 Mrd. € zu. Polen liegt nach wie vor unangefochten an der Spitze der wichtigsten Ursprungsländer für Möbeleinfuhren nach Deutschland und baut seine Position weiter aus: Von Januar bis Mai des laufenden Jahres kletterten die Möbeleinfuhren aus unserem östlichen Nachbarland überdurchschnittlich schnell um 7,6 Prozent auf 1,1 Mrd. €. Damit stammt inzwischen jedes vierte importierte Möbel aus Polen. Das zweitwichtigste Lieferland bleibt China. Insgesamt konnten im bisherigen Jahresverlauf vor allem osteuropäische Länder wie Tschechien (+65,1%), Ungarn (+14,3%) oder Litauen (+10,3%) ihre Lieferungen nach Deutschland kräftig steigern. Demgegenüber gehen die Möbelimporte aus den traditionellen Lieferländern wie Italien (-6,7%), Österreich (-18,5%) oder Schweden (-11,7%) weiter zurück.
Mit einer Exportquote von rund 30 Prozent bezogen auf den Industrieumsatz liegt die Möbelindustrie weit hinter anderen Industriebranchen in Deutschland. Deshalb ist es wichtig, dass wir auf dem bereits eingeschlagenen Weg der Internationalisierung weitermachen. Stichworte sind mehr Exportaktivitäten, besseres Marketing und die Untermauerung unserer hohen Qualitäts- und Designkompetenz. Wir müssen neue Zielmärkte aufbauen, auch in emerging markets. Daher sind Messebeteiligungen in China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland so wichtig.
- Interior Mebel, Kiev, Ukraine
- Interzum, Guangzhou, China
- MTKT innovation, Kiev, Ukraine
- Mosbuild, Moskau, Russland
- UMIDS, Krasnodar, Russland
- Index, Dubai, VAE
- Rooms, Moskau, Russland
- Hotel Show, Dubai, VAE
- Home+Building, Tokio, Japan
- Mebel, Moskau, Russland
Die Bedeutung dieses Thema wird deutlich, wenn man bedenkt, dass der Export unserer Möbel von Januar bis Mai 2014 insgesamt um 0,8 Prozent auf 3,8 Mrd. € sank. Die Ausfuhren in die EU-Länder gingen um 0,4 Prozent, die Exporte in die europäischen Länder außerhalb der EU um 1,5 Prozent zurück. Schmerzliche Rückgänge von 5,1 Prozent verzeichnete der Absatz nach Asien. Die Ausfuhren in unseren wichtigsten Markt Frankreich sanken um 8,3 Prozent. Die Schweiz als zweitwichtigster Exportmarkt importierte 1,3 Prozent weniger Möbel aus Deutschland. Auch Österreich, das aktuell Platz drei im Gesamtranking belegt, entwickelte sich mit minus 4,1 Prozent nicht gerade erfreulich. Demgegenüber konnte der britische Markt seine Wachstumsschwäche überwinden und zeigt sich wieder robust – unsere Ausfuhren ins Vereinigte Königreich konnten in den ersten fünf Monaten 2014 um 8 Prozent gesteigert werden.
Der niederländische Markt – derzeit auf Platz vier im Exportranking – ist vor einigen Jahren regelrecht zusammengebrochen und hat sich seither nur bedingt erholt, die Möbelausfuhren dorthin gingen um 2,3 Prozent zurück. Schwierig ist es nach wie vor in den südeuropäischen Ländern.
Auch in Russland und China treffen wir auf derzeit schwierige Märkte, wenngleich das Potenzial dort enorm ist. Besser laufen unsere Geschäfte in Osteuropa und den USA, wo wir derzeit besonders erfolgreich unterwegs sind. Allein in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres konnte ein Anstieg der deutschen Möbelexporte über den Atlantik um 7,2 Prozent verbucht werden.
Markteroberungen brauchen Vorbereitung, Geduld und Geld. Als deutsche Unternehmen müssen wir uns mit den Sprachen, Kulturen, Geschmäckern und den jeweiligen Kommunikationswegen auseinandersetzen. Gerade über das Internet und die sozialen Medien können wir als Mittelständler international gezielt und kostengünstig kommunizieren. Das sollten wir ebenso nutzen wie die internationalen Messepräsenzen unter Koordinierung des VDM. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man diese Schritte gehen muss und dass sich die Mühe lohnt.
Insgesamt steht unsere heimische Möbelindustrie gerade im Vergleich zu unseren Hauptwettbewerbern Italien, Frankreich und Österreich sehr gut da. Deshalb werden wir auch die aktuellen Absatzprobleme im In- und Ausland überwinden und mittelfristig wieder wachsen. Denn mit unseren gut ausgebildeten Fachkräften produzieren wir exzellente Möbel, die weltweit ihresgleichen suchen.
Mit Blick auf die Zahlen des 1. Halbjahres 2014 ist noch Luft nach oben. Die einzelnen Segmente der deutschen Möbelindustrie entwickelten sich in diesem Zeitraum dabei sehr unterschiedlich. Die deutsche Büromöbelindustrie wies mit einem Umsatz von rund 959 Mio. € ein leicht positives Ergebnis aus (+1,4 %). Die Ladenmöbelhersteller lagen dagegen um 6,8 Prozent unter dem Vorjahreswert und erzielten einen Umsatz von rund 681 Millionen €. Die Küchenmöbelhersteller verzeichneten einen spürbaren Umsatzanstieg um 3,1 Prozent auf rund 2,2 Mrd. €. Ein Wachstum konnten auch die Hersteller von Wohnmöbeln vermelden, deren Umsätze von Januar bis Juni 2014 um 1,9 Prozent auf rund 3,9 Mrd. € zulegten. In diesem Wert sind auch die Polstermöbel enthalten, deren Wachstum ebenfalls 1,9 Prozent auf rund 526 Mio. € beträgt. Zum Gesamtergebnis tragen auch die Matratzenhersteller mit einem deutlichen Umsatzplus in Höhe von 8,7 Prozent auf rund 384 Mio. € bei.
In der deutschen Möbelindustrie arbeiten derzeit 84.220 Männer und Frauen in insgesamt 518 Betrieben. Zum Vorjahreszeitpunkt waren es 84.388 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 528 Unternehmen.